Surfen auf dem Wochenmarkt

Die Volksbank Beckum-Lippstadt stellt Einwohnern, Besuchern und Gewerbetreibenden ein freies WLAN bereit. In der gesamten Stadt. An 110 Hotspots. Sie belebt damit die digitale Infrastruktur ihres Geschäftsgebiets, hat damit bereits deutschlandweit Interesse geweckt sowie eine Fülle an Nachahmern gefunden.

freies WLAN



Anna und Tom, beide Anfang 20, haben heute frei und wollen ein bisschen bummeln, danach essen gehen und ins Kino. Sie kommen aus Erwitte, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Lippstadt, wo sie den Tag verbringen wollen. Nachdem sie geparkt haben, laufen sie bei schönstem Sonnenschein durch die Fußgängerzone bis zum Bernhard-Brunnen. Dort setzen sie sich erst einmal hin und suchen auf dem Tablet ein paar Geschäfte heraus, in denen sie einkaufen wollen. Anschließend schlendern sie durch die Stadt, essen in einer Bäckerei eine Kleinigkeit, schauen auf dem Smartphone nach dem Kinoprogramm, schicken zwischendurch einige Bilder per Whatsapp an Freunde – die an dem herrlichen Tag arbeiten müssen – und sortieren am späteren Nachmittag die Restaurants nach ihrem Geschmack und natürlich den besten Bewertungen aus. Am frühen Abend sitzen sie draußen im Biergarten und spazieren gegen 20 Uhr langsam hinüber zum Cineplex, wo sie sich einen Blockbuster anschauen wollen.

Ein besonderer Tag für Anna und Tom, der von außen betrachtet durch eine kleine Tatsache noch ungewöhnlicher wird: In der gesamten Fußgängerzone, im Restaurant und in der Bäckerei, im Kino und in fast allen Läden haben die beiden freies WLAN und können so, ohne ihr Datenvolumen zu verbrauchen, surfen und sogar per Whatsapp, Skype, Facebook & Co. telefonieren.

„Digitalisierung vorantreiben“

Verantwortlich dafür ist die Volksbank Beckum-Lippstadt, die 2017 eine bahnbrechende Idee hatte: „Wir wollten die Digitalisierung vorantreiben, die einen wirklichen Wettbewerbsvorteil für die Stadt darstellt. Deswegen hielten wir es für eine gute Idee, eine freie WLAN-Infrastruktur in der Innenstadt aufzubauen und für die beteiligten Firmen, Handeltreibenden und anderen Einrichtungen auch die Kosten zu übernehmen“, erinnert sich Mario Deimel. Der Marketing-Chef und Prokurist der Bank ist die treibende Kraft hinter dem offenen Netz, das in dieser Organisationsform in Deutschland kaum zu finden ist. Zwar können Nutzer großer Internet-Provider sich an vielen Orten in ihre eigenen Netzwerke einloggen oder Restaurants und Geschäfte bieten eigene Hotspots an, aber das Angebot in Lippstadt und Umgebung funktioniert auf andere Weise.

Digitale Infrastruktur für die Stadt

Die Nutzer müssen sich nur einmal anmelden und sind danach, wenn sie wollen, immer wieder direkt online, solange sie sich in der Reichweite der rund 110 Hotspots befinden, die in der Region verteilt sind. „Davon profitieren nicht nur unsere Einwohner, die die Innenstadt nutzen, sondern auch unsere Gäste“, sagt Deimel, der bewusst von einer Infrastrukturmaßnahme für die Stadt spricht, die auch in teilnehmenden Freizeiteinrichtungen und Sportvereinen umgesetzt wurde. „Außerdem haben wir als Bank einen großen Imagegewinn, weil uns viele gar nicht mit so einem innovativen Projekt assoziieren würden.“

Ingo Arndt sieht das genauso. Der agile Unternehmer, dessen großes Sporthaus direkt am Bernhard-Brunnen liegt, an dem sich Tom und Anna am Morgen hingesetzt hatten, betreibt gleich vier Geschäfte in der Innenstadt – und spricht als Vorsitzender der Werbegemeinschaft für 130 Händler der Stadt. „Für Lippstadt ist das sehr attraktiv, da so jeder Besucher den kostenfreien Zugang zum Internet nutzen kann.“

Mehrwert für die Stadt

Für ihn gehört ein freies WLAN heutzutage zum Leben einfach dazu. „Das erwarten viele Menschen, egal wo sie sind“, sagt Arndt. „Und das gibt es nun in Lippstadt, wir sind Vorreiter bei vielen Dingen und haben es auch hier einfach vorgemacht.“ Der Effekt ist groß, der Unternehmer, der rund 75 Arbeitskräfte in vier Geschäften beschäftigt, erhält viel positives Feedback. Ein Grund dafür ist, dass das freie WLAN nicht mit einem speziellen Laden verbunden ist. Surfen ist über die Antennen zum Beispiel auch auf dem Wochenmarkt möglich, sodass der reine Werbeeffekt für die Beteiligten oft gar keine Rolle spielt. „Wir haben gemeinsam etwas für die Stadt geschaffen – und das ist wirklich super“, sagt Ingo Arndt.

„Wir sind mit dem Projekt mitgewachsen“

Die Umsetzung hat die Firma mySPOT marketing übernommen, ein Start-up aus Lippstadt. Die Motivation für das Projekt ist für Geschäftsführer Maximilian Besting groß: „Als ich nach dem Studium in den USA und Spanien zurückkam, habe ich festgestellt, dass es in Deutschland – und auch hier bei uns in der Heimat, in Lippstadt – kein vernünftiges WLAN gibt. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.“ Der IT-Spezialist machte sich mit einem Stamm von dreieinhalb Mitarbeitern auf den Weg. „Der halbe war damals Werkstudent und ist heute unser IT-Leiter“, sagt Besting und lacht. „Wir sind mit dem Projekt mitgewachsen und mittlerweile 18 Leute. Gemeinsam verknüpfen wir die Menschen, die sich zu Zehntausenden einloggen.“

Ganz einfach war der Weg zum freien WLAN nicht, erinnern sich die Beteiligten. Manche Gewerbetreibende hatten schon Verträge mit anderen Providern, andere waren sich anfangs nicht sicher, wo das Projekt hinführen sollte. „Wir haben wirklich Klinken geputzt“, erinnert sich Mario Deimel. „Als wir dann die ersten überzeugt hatten, ging es bei den anderen fast automatisch“, ergänzt Maximilian Besting. Die Idee ist so überzeugend, dass mittlerweile 50 Volksbanken und Raiffeisenbanken in ganz Deutschland die Dienste nutzen. „Wir sind das gemeinsam mit mySPOT angegangen und haben die verschiedenen Banken im Verbund angesprochen“, sagt Deimel.

Datenschutz ist sehr wichtig

Der Vorteil für die Banken: Sie bezahlen die Ausstattung der Geschäfte und Restaurants mit den Hotspots und erhalten dafür bei jedem Einloggen die Möglichkeit, ihre Angebote den Nutzern zu zeigen. „Wir schalten zum Beispiel gar keine Anzeigen mehr, um Auszubildende zu suchen – das läuft alles über den WLAN-Service“, sagt Mario Deimel, der jährlich rund 60.000 Euro in das Projekt investiert. Dem Marketing-Profi ist dabei eines wichtig, gerade wenn es um die jungen Leute geht: der Datenschutz – und zwar auf zwei Ebenen. „Wir erheben keine Bewegungs- oder andere Nutzerdaten. Außerdem haben wir ausgeschlossen, dass auf gewisse Seiten zugegriffen wird wie zum Beispiel Pornografie. Nur weil das Unternehmen das sicherstellen konnte, haben wir das Projekt überhaupt weiter vorangetrieben.“ mySPOT hat dafür eine gemischte White- und Blacklist angelegt, das bedeutet, dass die Nutzer unbesorgt auf bestimmte Seiten zugreifen, gleichzeitig aber andere Seiten nicht sehen können.

Großer Schritt nach vorn

In Lippstadt und Umgebung hat die Digitalisierung so einen großen Schritt nach vorn gemacht: mit einem freien, sicheren und einfach zu bedienenden WLAN, das Menschen zusammenbringt – angestoßen durch das Engagement der Volksbank, aber auch durch das gemeinsame Vorgehen von vielen Beteiligten aus der Bürgerschaft.