„Word up!“

300 Schülerinnen und Schüler aus 46 Nationen tummeln sich an der Würzburger Mönchbergschule. Sie alle eint, dass sie kein Deutsch sprechen. Hier sollen sie es lernen. Durch kluge päda­gogische Arbeit. Durch das täg­liche Tun. Das macht Spaß und gelingt. Die von der VR-Bank Würzburg mit gegründete Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung unterstützt genau solche Initiativen und trägt so zur Integration bei. Das hilft – und lässt die Worte fließen. Nicht nur auf dem Pausenhof.

„Word up!“

„Manche meinen, dass die deutsche Sprache schwierig ist.
Doch alles kann man lernen, wie ihr wisst.
Lasst uns das gemeinsam machen,
mit Rapmusik werden das tolle Sachen.“

„Der, die oder das, war nur der Beginn.
Schritt für Schritt macht dann alles einen Sinn.
Der ist maskulin und die ist feminin.
Das hat kein Geschlecht wie das Kinn.“

„In meiner Schule rappen wir alle wie ´ne Band.
In meiner Schule machen wir Musik, wie wenn’s brennt.“

Die zwei Mädchen und fünf Jungen wissen, wovon sie zu den rhythmischen Beats, die aus einer großen Box kommen, rappen. Melita stammt wie Albiona aus Albanien, Basil aus Indien, Ahmed aus Ägypten, Allesandro und Christian aus Italien und Reence von den Philippinen. Die Jugendlichen konnten, als sie nach Deutschland kamen, kaum ein Wort in der Sprache ihres neuen Zuhauses. Das hat sich nun geändert, natürlich wegen des Unterrichts an der Mönchbergschule in Würzburg, die sie alle besuchen, wegen ihrer Freunde, die ebenfalls Deutsch lernen oder schon sprechen – und auch wegen des Rap-Projekts, an dem sie heute draußen auf der Terrasse oberhalb des Schulhofs teilnehmen.

Die zweite Strophe zeigt schon eindeutiger den pädagogischen Anspruch des Songs, mit Absicht, erklärt Niro. Der Würzburger Rapper leitet das Projekt mit Herzblut. Das merkt man ihm an, wenn er die kleine Truppe zum wiederholten Male durch den Song führt. Niro heißt im echten Leben Mohammad Shekh Yousef, kommt aus Syrien und studiert an der Universität Würzburg Lehramt für Mittelschulen. Seine pädagogischen Fähigkeiten setzt er durchgehend ein: „Hier musst du ein bisschen leiser sein und mit der Gruppe rappen“, sagt er zum Beispiel zu Christian, „aber sonst ist das super!“ Oder er freut sich mit allen darüber, dass der Refrain so gut klappt, der das Lied beendet. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler den Text selbst geschrieben, sagt Niro. „Sie sollten sich ja intensiv mit der deutschen Sprache auseinandersetzen. Das haben sie wirklich gut hinbekommen.“

Sprachkenntnisse durch Musik

Für ihn ist die Rap-AG eine hervorragende Möglichkeit, „sehr heterogene Schülerinnen und Schüler zu fördern, indem Sprachkenntnisse durch Musik vermittelt werden“. Niro schaut mit Stolz in die Runde: „Mir geht es darum, an erster Stelle ihre Lernmotivation zu erhöhen. Deshalb versuche ich, mit Rapmusik vom traditionellen Grammatikunterricht wegzukommen und ihn lebendiger zu gestal­ten.“ Die Erfolge des Projekts sind offensichtlich, wenn man sich allein die Gruppe an diesem Nachmittag anschaut. Niro erzählt von dem Beispiel eines Schülers, der sich zuerst nicht getraut hat, an einem Auftritt teilzunehmen. „Zum Glück konnte ich ihn überzeugen, dass er mit seinen Klassenkameraden einen Song aufführt. Danach ist er viel aufgeschlossener geworden und hat Fortschritte gezeigt, sowohl auf emotionaler als auch auf sprachlicher Ebene.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Personale Erziehung

Alban Schraut bestätigt das mit einem energischen Nicken. Der engagierte Schulleiter der Grund- und Mittelschule am Mönchberg – so heißt sie offiziell – ist für 300 Kinder und Jugendliche verantwortlich, die eines eint: Deutsch ist nicht ihre Muttersprache. Die Schule hat sich gewissermaßen seit Jahrzehnten darauf spezialisiert, Kinder aus allen Ländern der Welt aufzunehmen, egal ob sie aus Krisenregionen flüchten mussten oder als Tochter oder Sohn einer Professorin oder eines Professors aus einem Industrieland nach Deutschland kamen, die einen Ruf an die Universität erhielten. Wobei für Alban Schraut das alles keine Rolle spielt. „Wir haben zwar momentan 46 Herkunfts­länder, aber wir schauen weder darauf noch auf die Nationalitäten, sondern sehen jeden jungen Menschen mit seiner eigenen Biografie als Person an“, sagt der 60-Jährige, der selbst unter anderem in Chile arbeitete und viel Erfahrung mit neuen Lebenssituationen hat. In den verschiedenen Klassen bleiben die Kinder meistens ein bis zwei Jahre, bis sie so gut Deutsch sprechen, dass sie die Regelschulen besuchen können. Auf dem Weg dahin hilft der normale Unterricht ebenso wie die Kommunikation mit anderen, wie zum Beispiel in der Rap-AG. Die Schule bietet deswegen viele Arbeitsgemeinschaften an den Nachmittagen an, von Kunst und Theater über Korbflechten und Filzen bis zur Schulband oder eben zum Rap. „Mit unserem Schwerpunkt der personalen Erziehung wollen wir die Talente der Kinder entdecken und entfalten. Die Projekte wählen sie freiwillig – und wir haben so viel Nachfrage, dass wir immer etwas Neues anbieten müssen und wollen.“

Gute Gefühle

Das ist auch am Rand der Terrasse zu sehen, wo die Rapper üben. Dort steht ein kleiner Schuppen, in dem Lehrer Sebastian Lang mit seiner Fahrzeugbau-­AG untergekommen ist. Die Kinder haben sich dort vor einem halben Jahr zusammengetan und basteln gemeinsam an Fahrrädern und einem Motorroller, der heute zum ersten Mal gestartet wird. Als das Gefährt losknattert, rufen die Schülerinnen und Schüler laut durcheinander, auch sie sind, das ist direkt zu sehen, sehr stolz auf ihre Arbeit. „Sie lernen hier den Umgang mit Werkzeugen, die sie vielleicht zuvor nicht gekannt haben, sie unterhalten sich bei der Arbeit und auch in der Fachsprache, was viele von ihnen weiterbringt“, sagt Alban Schraut. „Und sie haben am Ende das Gefühl, etwas gebastelt und erstellt zu haben, was wirklich funktioniert.“

Um die Projekte wie die Fahrzeugbau- oder die Rap-AG finanzieren zu können, reichen die staatlichen Mittel nicht aus. „Wir sind bei den Arbeitsgemeinschaften und Projekten auf Drittmittel angewiesen, die unser Förderverein generiert“, informiert der Schulleiter. „Damit können wir Materialien kaufen und Profis wie Musiker oder Künstler beauftragen, mit unseren Kindern zu arbeiten.“ Für das gute Dutzend Projekte sind zwischen 5.000 und 10.000 Euro pro Schuljahr erforderlich, für das der Förderverein immer wieder neue Geldgeber akquirieren muss.

Bildungsfonds fördert die Vielfalt

Ein verlässlicher Partner ist dabei die Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung, die im Jahr 2016 einen Bildungsfonds aufgelegt hat. Sie gibt regelmäßig Geld für die Projekte, um die Vielfalt an der Mönchbergschule zu fördern. Heute ist Joachim Erhard zur Schule gekommen, um sich selbst ein Bild von der Förderung zu machen. Er ist der Vorstand der Bürgerstiftung und gleichzeitig im Hauptberuf Vertriebs- und Personalvorstand bei der Volksbank Raiffeisenbank Würzburg, die die Stiftung im Jahr 2006 gegründet und mit einem Stiftungskapital von 500.000 Euro ausgestattet hat. Mittlerweile ist dieses durch Spenden und Zustiftungen auf 5,3 Millionen Euro angewachsen, mit dem bisher insgesamt 190 Projekte finanziert wurden. Mit dem Geld wird unter anderem der Bildungsfonds gefüttert, der wiederum die Schulprojekte an Grund- und Mittelschulen möglich macht – zum Teil für einzelne benachteiligte Kinder, zum Teil für Gruppen und Projekte wie hier an der Mönchbergschule. Der Blick auf die jungen Rapperinnen und Rapper zeigt Joachim Erhard direkt, dass die Förderung gut angelegt ist. „Es ist ein toller Moment, die Gruppe in dieser Zusammensetzung zu erleben“, sagt der Vorstand, der gemeinsam mit Alban Schraut gleich mehrmals dem Song lauscht. „So viele verschiedene Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern arbeiten hier an einem gemeinsamen Projekt, mit ihren ebenso unterschiedlichen Erfahrungen, aber geeint durch die Musik.“

„Hilfe für das Wichtigste, was wir haben“

Der Würzburger Bildungsfonds, der seit seiner Gründung rund 200.000 Euro an verschiedene Schulen ausgezahlt hat, soll genau das erreichen. „Wir wollen Hilfe geben für das Wichtigste, was wir haben: unsere Kinder“, sagt Erhard. „Ich vergleiche das immer mit dem Fundament eines Hauses. Wenn Sie daran sparen, müssen Sie sich später nicht wundern, wenn die Statik das Gebäude nicht dauerhaft trägt.“ Alles, was in der Ausbildung versäumt wird, werde die Gesellschaft später zu spüren bekommen. Joachim Erhard merkt auch an, dass die staatlichen Hilfen begrenzt sind und Mittel für solche Projekte sich dort nicht wiederfinden. „Was wir über die Bürgerstiftung geben können, ist eine niedrigschwellige Hilfe, bei der die Lehrerinnen und Lehrer selbstständig auf das Budget zugreifen und damit genau ein solches Projekt ins Leben rufen können.“

Zu einer Genossenschaftsbank, die die Stiftung unter anderem auch mit kostenlosen Geschäftsräumen unterstützt, passe dieses Engagement: „Unser Anspruch ist es, auch als Unternehmen eine soziale Komponente zur Gesellschaft beizutragen.“ Dazu gehören auch die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich für die Stiftung engagieren, vom Vorstand und Kuratorium der Bürgerstiftung bis zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der VR-Bank, die zusätzlich zu ihrem Alltags­job ganz unterschiedliche Aufgaben für die Stiftung erledigen.

Für die Rap-Gruppe, die nun zum letzten Mal für heute ihren Song probt, funktioniert die Unterstützung sehr gut.

Die Kinder machen Handbewegungen, betonen gemeinsam den Text, bewegen sich, tanzen sogar. Sie sind aktiv, auch untereinander, reden in den Pausen, und das auf Deutsch, was sie zum Teil ein halbes Jahr zuvor noch gar nicht konnten. Und vor allem macht es ihnen Spaß. Den haben sie auch in die letzten Zeilen des Refrains gepackt:

„In meiner Schule lernen wir Deutsch mit Rap.
Das gibt uns allen ganz viel Pep.“