Ein Schwarm, viele Schwärmer

Der Volksbank Sauerland ist es gelungen, im Kloster Wedinghausen einen regionalen Schatz zu heben, mittelalterliche Malereien freizulegen und eine zeitgemäße Vermittlung zur Herkunft besonderer Fundstücke zu etablieren.

Kloster



Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Baustelle. Die Lieferwagen der Handwerker stehen vor der Tür, im Kreuzgang staubt es, in den Wänden klaffen Löcher – und in dem großen Kapitelsaal liegt neben allerlei Werkzeug ein Haufen Planen über einem, man kann es gerade so erkennen, rechteckigen Loch. Bettina Heine-Hippler kann über diese Interpretation des Klosters Wedinghausen, das auf einer Anhöhe über der sauerländischen Stadt Arnsberg thront, nur schmunzeln. Für die Denkmalpflegerin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe – und alle anderen Menschen, die sich für Kirchenkultur interessieren – ist das, was hier gerade passiert, eine Sensation. „Wir haben ganz besondere Funde gemacht, zum Beispiel eine mittelalterliche Warmluft-Steinkammer-Heizung, die einzigartig in Mitteleuropa ist, oder das Grab des um 1200 verstorbenen Klostergründers Heinrich I., der übrigens Patensohn von Friedrich Barbarossa war.“

Seltene Funde

Die Denkmalpflegerin geht zu der Grube, schiebt die Abdeckplanen beiseite. Sie zeigt auf die Ränder des Grabs: „Diese Rankenmalereien, die damals in den frischen Putz gekratzt wurden: So etwas findet man kaum. Im mitteleuropäischen Raum kennen wir diese Technik in einer Grabstelle nur aus Lübeck, Antwerpen und Brügge – und das sind Unesco-Welterbestätten.“ Entdeckt wurden die außergewöhnlichen Funde während einer Sanierung des Klosters. Sofort wurden die Archäologen alarmiert, um das Ganze fachlich einzuschätzen. „Es war schnell klar, dass es mit den Bauarbeiten nicht einfach weitergehen konnte – es entstehen immer wieder neue Fragen, die wir erst beantworten wollen.“

Der Hausherr, Hubertus Böttcher, ist ebenfalls begeistert von dem neuen Rang, in den sein Kloster aufsteigen könnte. „Wir wollten eigentlich nur Raum für die junge brasilianische christliche Bewegung ,Shalom’ schaffen, die hier mit einigen jungen Menschen einziehen wollte. Nun haben wir plötzlich unsere ganze Geschichte vor uns liegen“, sagt der Propst, der zudem als Dechant für das westliche Sauerland zuständig ist und elf Gemeinden leitet. Für den engagierten Kirchenmann sind die Funde ein Mittel, um seine Institution Kirche neu zu beleben. „Unser Problem ist, dass wir als gestrig und langweilig gelten – und auch deswegen gibt es immer weniger Gläubige.“ Die Kirche lebe von Ideen und auch deswegen hatte er die Brasilianer eingeladen, in Arnsberg Fuß zu fassen. Nun könnte es sein, dass auch die eigene Geschichte für eine neue Kraft sorgt. „Wir wollen das Kloster, das im Jahr 1803 säkularisiert wurde, wieder lebendig machen“, sagt Böttcher.

Der Plan: Ein lebendiges Museum

Wenn die Menschen dann vor allem wegen der Historie kommen, ist das für den Geistlichen völlig in Ordnung. „Ich stelle mir vor, dass wir in einigen Jahren viele Führungen hier haben werden, die Ausgrabungen dokumentieren und damit auch den Menschen zeigen können, dass der Ort eine Relevanz hat.“ Die Archäologen haben dazu eine lange Liste mit 13 Wünschen verfasst, die sie gerne umsetzen würden, dazu gehören zum Beispiel die Neuverglasung der Kreuzgangfenster oder die Untersuchung der Knochenfragmente, die im Grab gefunden wurden. Gleichzeitig soll ein lebendiges Museum entstehen, das auch mit digitalen Medien den Geschichtsort Kloster Wedinghausen vermittelt.

Helmut Schulte, Dr. Bettina Heine-Hippler, Propst Hubertus Böttcher, Kirchenvorstand Christof Regniet (von links)

Helmut Schulte, Dr. Bettina Heine-Hippler, Propst Hubertus Böttcher, Kirchenvorstand Christof Regniet (von links)

Sieht aus wie eine Baustelle, ist aber eine Sensation: eine Fundstelle im Kloster Wedinghausen.

Sieht aus wie eine Baustelle, ist aber eine Sensation: eine Fundstelle im Kloster Wedinghausen.

Schon jetzt kommen viele Menschen und schauen sich die Funde und Malereien an. Alle sind fasziniert.

Schon jetzt kommen viele Menschen und schauen sich die Funde und Malereien an. Alle sind fasziniert.

Schwarmfinanzierung

Das alles erfordert viel Geld. Das Erzbistum Paderborn als Träger des Klosters und der Kirche kümmert sich vor allem um die Sanierung, die schon 6 Millionen Euro gekostet hat. Um einen Teil der Summe abzudecken, kam die Volksbank Sauerland ins Spiel. „Bei einer öffentlichen Veranstaltung in der Propsteikirche, bei der die Funde, aber auch die Pläne und die Finanzierung für das Kloster vorgestellt wurden, haben wir unsere Idee einer Schwarmfinanzierung erläutert“, sagt Helmut Schulte. „Für die Initiatoren war es wichtig, die Bürger von Arnsberg mit ins Boot zu holen, finanziell wie ideell. Da haben wir sofort an unser Crowdfunding gedacht, mit dem sich nicht nur Gelder sammeln lassen, sondern auch eine breite Bewegung abgebildet werden kann“, erklärt der Marketingleiter der Volksbank. „Denn eines finde ich ganz wichtig: So ein Projekt kann in der Region nur funktionieren, wenn es auf einem breiten Fundament steht. Viele schaffen eben mehr.“

Eine große Zustimmung ist zudem auch für die anderen Geldgeber wichtig: „Wir haben die Deutsche Stiftung Denkmalpflege, die Bundesbeauftragte Kultur und Medien oder auch Landesmittel für die Denkmalpflege angefragt. Sie alle wollen sehen, dass ein förderwürdiges Projekt auch in der Bevölkerung verankert ist“, sagt Bettina Heine-Hippler. Bei dem Crowdfunding, mit dem insgesamt schon mehr als 100 Initiativen unterstützt wurden, gibt die Bank ab einer Spende von 5 Euro ihrerseits jeweils 5 Euro dazu. Zunächst gab Helmut Schulte das Ziel aus, in 90 Tagen 22.500 Euro zu erreichen. „Wir hatten aber damals Bauchschmerzen, wo das ganze Geld herkommen sollte.“ Wenn das Ziel nicht erreicht worden wäre, wären die Spenden an die Geldgeber zurückgegangen. „Aber: In dem Zeitraum haben wir 51.405 Euro zusammenbekommen, von 3.400 Spendern. Das war wirklich beeindruckend.“ Von der Bank selbst flossen mehr als 17.000 Euro ein.

Spenden besser verteilen

Für die Volksbank Sauerland ist das Crowdfunding ein sehr gut geeignetes Mittel, um in der Region Einrichtungen wie Kindergärten, Musikvereine oder die Tafel zu unterstützen. Auch hier gilt wieder die Zuspende der Bank von 5 Euro, die sich in den vergangenen drei Jahren auf mehr als 100.000 Euro summiert hat.

Neben der finanziellen Transparenz – jeder kann die Projekte im Internet sehen – hat das Vorgehen auch noch einen weiteren Vorteil. „Die Anfragen an uns wurden immer mehr und es wurde immer schwierig zu beurteilen, was wir fördern wollen“, sagt Helmut Schulte.

„Mit der Plattform haben wir nun ein Werkzeug, um unsere Spenden besser verteilen zu können: Die Einrichtungen müssen ihre Ideen vorstellen und sich engagieren, damit die Menschen und damit auch wir als Bank anfangen zu spenden.“ Hinzu kommt, dass auf diese Weise auch die Bürger stärker einbezogen werden. Das Engagement lohnt sich, von den 90 Projekten, die bislang um Spenden warben, wurden 89 finanziert – nur ein Projekt wurde nicht unterstützt, weil der Projektverantwortliche erkrankte und deswegen abbrechen musste. Aber: Das Projekt soll später nachgeholt werden.

Viele Unterstützer

Für das Kloster kann sich Schulte vorstellen, im Jahr 2019 ein weiteres Crowdfunding aufzulegen. Die Verantwortlichen finden das natürlich gut: „Ich betreue viele Projekte, aber das hier spricht mich persönlich besonders an, weil wir mit einem so breiten Team und so vielen Unterstützern an einer wirklich herausragenden Sache arbeiten“, sagt Bettina Heine-Hippler. Für Propst Hubertus Böttcher ist das ähnlich, sagt er – und er blickt gespannt auf die Zeit, wenn sich jeder für das Kloster begeistern können wird. „Es kommen schon jetzt viele Menschen und schauen sich unsere Funde und die Baustelle an und alle sind fasziniert. Wenn wir erst einmal fertig sind, wird sich das vervielfachen – und darauf freue ich mich schon.“