Neue Welten

Die VerbundVolksbank OWL schickt ihre Azubis dorthin, wo Unterstützung oft erforderlich ist. Sie kooperiert mit der Bahnhofsmission Paderborn. Dort erhalten die Azubis die Möglichkeit und Zeit, am Bahnhof Bedürftigen zu helfen.

Bahnhofsmission



Zwei Stunden des Dienstes sind vorbei und Mathia Mazzek sitzt für zehn Minuten an einem Tisch. Sie hat eine Tasse Kaffee vor sich stehen. Die 26-Jährige macht aber keine Pause, sondern unterhält sich mit einem Mann, den hier alle kennen. „Na, Hans, wie ist es dir gestern so ergangen?“, fragt sie den grauhaarigen Besucher, der ebenfalls einen Kaffee trinkt, den sie ihm gerade gebracht hat. „Ach ja, der Tag war okay“, antwortet er und fährt sich schüchtern durch seine langen Haare. „Du hattest doch vergangene Woche dein Portemonnaie verloren, hast du alles wiederbekommen?“ Der Mann überlegt kurz, „Ja, ja, das hat geklappt“, sagt er und greift zum Butterbrot, das vor ihm auf einem Teller liegt.

„Grenzgänger“

Mathia Mazzek arbeitet erst seit zwei Tagen hier und hat mit ihrer offenen Art doch schon ein Vertrauensverhältnis zu dem wohnungslosen Mittsechziger aufgebaut, der jeden Tag an diesen besonderen Ort kommt: in die Bahnhofsmission in Paderborn, die am Ende von Gleis 1 liegt. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Elisabeth Elija, die wie sie eine Ausbildung in der VerbundVolksbank OWL macht, engagiert sie sich im Rahmen des Projekts „Grenzgänger“ freiwillig eine ganze Woche lang in der Institution. Fast alle der jährlich 30 Auszubildenden der Bank übernehmen dieses Ehrenamt, für das ihr Arbeitgeber sie freistellt.

Rund 20.000 Menschen suchen in der Bahnhofsmission Paderborn Hilfe. Die fest angestellten Kräfte und die Ehrenämtler betreuen Reisende, die wegen einer Behinderung oder wegen Alterseinschränkungen Probleme haben, allein reisende Kinder oder eben Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, die hier ein warmes Getränk, etwas zu essen oder auch ein nettes Gespräch bekommen. Die Bank stellt im Rahmen des dauerhaften Projekts die Azubis frei – und hilft so dabei, dass die Bahnhofsmission den großen Andrang bewältigen kann.

Mathia Mazzek zusammen mit Hans.

Mathia Mazzek zusammen mit Hans.

Hemmschwelle überwunden

Elisabeth Elija, die gerade in der kleinen Kochzeile Butterbrote schmiert, hat das freiwillige Engagement ebenso wie ihre Kollegin weitergebracht, sagt sie. „Ich hatte vorher Bedenken, wie ich damit zurechtkommen würde, wenn ich mit so vielen verschiedenen Menschen aus ganz anderen Lebensbereichen zu tun hätte. Ich hatte eine Hemmschwelle, die ich aber sehr schnell überwunden habe“, erklärt sie, während sie einen Teller mit Broten zu einem Mann bringt, der still in einer Ecke des Aufenthaltsraumes sitzt. „Normalerweise habe ich ja nur Kontakte zu meiner Familie, meinen Freunden, den Kollegen oder den Kunden in der Bank. Diese Welt hier kannte ich einfach nicht“, sagt die 21-Jährige.

Für beide bedeutet das Engagement eine Menge. „Ich schaue heute wirklich anders auf Menschen, auf ihre Schicksale“, sagt Elisabeth Elija und Mathia Mazzek ergänzt: „Ich bin viel offener geworden und habe mehr Verständnis aufgebaut.“ Die Syrerin, die in ihrer Heimat Wirtschaft studiert hat, aber mit ihrem Abschluss keine Stelle finden konnte, engagiert sich auch sonst neben der Arbeit, etwa bei der Caritas als Freizeitbegleiterin für Menschen mit Behinderung.

Für die Leiterin der Bahnhofsmission, Sabine Bergmaier, sind die beiden jungen Bankangestellten ein Segen, wie alle ehrenamtlich Aktiven. 24 Menschen engagieren sich in Paderborn ohne Bezahlung, bei nur zwei hauptamtlichen Angestellten. Die Chefin der Bahnhofsmission hat das Projekt angestoßen, nachdem sie bei einer Fortbildung im Sozialmanagement viel über das Engagement von jungen Leuten gehört hatte. „Ich habe mir gedacht, so etwas können wir hier doch auch machen.“ Sie begab sich auf die Suche nach Kooperationspartnern, erlitt einige Fehlschläge und landete schließlich bei der Verbund - Volksbank OWL. „Ich habe zunächst gedacht, vielleicht auch mit Schulen zusammenzuarbeiten, aber das hätte nicht in die Ausbildungspläne gepasst. Bei der Volksbank, die sofort sehr interessiert war, passte es sofort.“

Nachhaltiges Engagement

Sabine Bergmaier schaut kurz zu den beiden Auszubildenden. „Die verbringen hier eine Woche ihrer Arbeitszeit, das ist wirklich gut, weil sie nicht nur kurz hineinschnuppern, sondern in dieser Zeit eine ganze Menge lernen und damit auch uns weiterhelfen können.“

Die Azubis brächten zudem ein hohes Sozialverhalten mit und hätten ein tiefes Interesse an der Arbeit, das helfe natürlich bei der Arbeit in der Bahnhofsmission, die von der Diakonie Paderborn-Höxter e.V. und IN VIA Paderborn e.V. getragen wird und zusätzlich auch durch Spenden von Unternehmen und Privatpersonen finanziert wird. Engagement ist wichtig und für Sabine Bergmai- er ist es umso besser, wenn es auch nachhaltig ist: „In jedem Jahr bleibt einer der Azubis hier kleben“, sagt sie mit einem lauten Lachen. „Wir haben immer noch vier junge Leute der Volksbank, die hier regelmäßig mitarbeiten.“

Mathia Mazzek wird eine von ihnen sein, auch sie will weiter in der Bahnhofsmission arbeiten. Gemeinsam mit Elisabeth Elija kommt sie am Nachmittag zurück in die Zentrale der Bank, wo sie kurz mit dem Vorstandsvorsitzenden Ansgar Käter verabredet sind. Der 48-Jährige, der seit Mai 2016 im Vorstand arbeitet, hört sich an, was die freiwilligen Helferinnen erzählen, stellt Fragen. „Ich finde es sehr wichtig, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ehrenamtlich engagieren“, sagt Ansgar Käter, der selbst, als er noch in Münster arbeitete, eine Woche von seinem Arbeitgeber freigestellt in einem Altenpflegeheim volontierte. „Das war eine unglaubliche Erfahrung: Die Emotionen, die man selbst hat und auch von den Menschen dort spürt, waren wirklich beeindruckend – genauso wie die Arbeit der Pflegekräfte“, erinnert er sich. „Das relativiert die eigene Person und vor allem auch die Bedeutung unserer Arbeit.“

Für ihn war es deswegen auch selbstverständlich, dass die VerbundVolksbank OWL das Engagement in der Bahnhofsmission weiterführt, das sein Vorgänger begründet hatte. „Für die Azubis ist das ein Leuchtturmprojekt, bei dem sie ihre Persönlichkeit weiterentwickeln können. Jede und jeder kommt reicher wieder.“ Das ist auch im Berufsalltag zu spüren, sagt Ansgar Käter. Die jungen Leute seien anschließend sehr positiv eingestellt, seien gereifter, verantwortungsbewusster, auch entspannter, weil es eben doch auch andere Dinge auf dieser Welt gebe, mit denen man sonst nicht in Berührung komme. „Diese Erfahrungen bringen die jungen Mitarbeiter dann auch in der Bank mit ein, in den Umgang mit den Kollegen oder eben auch mit den Kunden.“

Elisabeth Elija

Elisabeth Elija

Sabine Bergmaier

Sabine Bergmaier

Ansgar Käter

Ansgar Käter

„Hilfe zur Selbsthilfe“

Für Ansgar Käter passt die Arbeit in der Bahnhofsmission in das gesamte Engagement der Bank. „Die Hilfe zur Selbsthilfe ist ein Kern unserer Philosophie. Konkret heißt das, dass wir viele unserer Mitarbeiter, die privat im Ehrenamt tätig sind, darin auch bestärken wollen.“ Die Bank erstellt gerade ein Konzept, wie zum Beispiel Ehrenamtliche durch Freistellungen oder finanzielle Hilfen dabei unterstützt werden können, sich etwa bei der Tafel oder in Kindergärten zu engagieren. Diese Ideen setzen zudem auf dem sowieso schon breiten Engagement der Bank auf: Insgesamt förderte die VerbundVolksbank OWL 2018 fast 1.000 Vereine, Institutionen und Initiativen in den Dörfern und Städten der Region mit rund 900.000 Euro. Mit der eigenen Crowdfunding-Plattform „Netzwerk Heimat OWL“ stellt sie zudem ein Portal zur Verfügung, auf dem Vereine Unterstützer für gemeinnützige Projekte finden können.

Auch das Projekt Bahnhofsmission wird weitergehen: „Man braucht schon eine gewisse Zeit, um sich dort einzufinden und von einem Beobachter zu einem Mitmacher zu werden. Deswegen werden wir die Kollegen auch in Zukunft jeweils eine ganze Woche dafür freistellen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Das Engagement will er zudem noch ausweiten. „Ich finde die Erfahrungen, die man dort macht, auch für berufserfahrene Kollegen, die im Job für Mitarbeiter Verantwortung übernehmen sollen, sehr wichtig. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft auch über die Azubi-Ebene hinausgehen und jüngere Führungskräfte mit einbinden.“