Woche für Woche stellt die Volksbank Rottweil eG ihre Auszubildenden für zwei bis drei Stunden frei, um in dieser Zeit soziale Einrichtungen in der Nachbarschaft zu unterstützen. Soziales Projekt nennt sich diese in der Region bereits fest etablierte Initiative: Jede einzelne Person bringt hier während der Ausbildungszeit bis zu 200 Stunden für die gute Sache ein. Das schafft Empathie, Beziehungen fürs Leben, jede Menge Glücksgefühle. Gleichzeitig festigt und etabliert es ein starkes Bewusstsein für die Dinge, die zählen und auf die es im Leben ankommt.

„Leander, du bist dran – leg deine Karte!“ – „Grüne Sieben!“, ruft der junge Mann und strahlt. Konstanzia Axt nickt ihm anerkennend zu. „Super! Moritz, was legst du?“ Er überlegt, schaut sich seine Karten genau an, bis er eine grüne Sechs zieht und sie auf den Stapel legt. „Sechs, grün“, sagt er und wieder nickt Konstanzia Axt. „Sehr gut, das klappt ja heute super!“ Das UNO-Spiel in dem verglasten Arbeitsraum der NeckarWerkstatt in Sulz findet jeden Mittwoch statt, immer dann, wenn die Auszubildende der Volksbank Rottweil zu Besuch kommt. Zwischen 14 und 16 Uhr sorgt die 19-Jährige im Rahmen des Sozialen Projekts ihres Arbeitgebers dafür, dass die Menschen mit Behinderungen, die in der Werkstatt arbeiten, spielerisch etwas lernen.
Farben und Zahlen lernen
UNO eignet sich perfekt, um Farben und Zahlen zu lernen“, erklärt die angehende Bankkauffrau im zweiten Lehrjahr, warum sie das Spiel für die vierköpfige Gruppe ausgesucht hat. „Es fördert die Konzentration, jeder lernt von jedem – und das bringt Erfolg.“ Ihre Spielpartner haben Spaß dabei, sie konzentrieren sich, halten sich an die Regeln. Hier wird nicht geschummelt. Wer einem der anderen eine +4-Karte hinlegt, zählt laut mit, wenn dieser die Strafkarten ziehen muss. Mittlerweile klappen auch die Richtungswechsel, die Konstanzia Axt anfangs noch mehrfach erklären musste. Dazu trägt auch das Vertrauen bei, das sie durch ihre Besuche aufgebaut hat. „Manche waren am Anfang sehr schüchtern oder wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollen – jetzt haben wir eine feste Verbindung. Und sie warten schon, wenn ich zur Tür reinkomme.“
Aufmerksamkeit und Zeit schenken
Die positive Entwicklung beobachtet auch Nadja Keucher, die heute der Spielrunde ein paar Minuten zuschaut. Sie ist seit 2018 Geschäftsführerin der NeckarWerkstatt, in der 44 Menschen mit geistiger oder mehrfacher sowie – zunehmend – psychischer Erkrankung arbeiten. „Konstanzia schenkt unseren Beschäftigten Aufmerksamkeit und Zeit – zwei Dinge, die im Alltag oft zu kurz kommen. Und durch ihre offene Art erreicht sie sie auf spielerische Weise.“
Für die Menschen mit Behinderungen, die in den hellen großzügigen Räumen eines umgebauten ehemaligen Supermarkts Montagearbeiten für Industrieunternehmen erledigen, die gewaschene Wäsche für Krankenhäuser und Pflegeheime sortieren oder die eigene Kantine mit Kiosk betreiben, bedeutet das Engagement von Konstanzia Axt viel. „Sie lernen in den Spielrunden, sich an Regeln zu halten, mit Niederlagen umzugehen, sich zu konzentrieren – und dabei Spaß zu haben“, erzählt Nadja Keucher. „Dafür muss Konstanzia sich manchmal auch durchsetzen. Sie hat sich hier Respekt verdient, indem sie klare Ansagen macht, aber immer mit Herz.“
Beide Seiten sollen profitieren
Einen Plan, was genau Konstanzia Axt in der NeckarWerkstatt machen soll, gab es vorher nicht. „Das würde auch der Grundidee zuwiderlaufen, dass beide Seiten profitieren sollen“, erklärt die Geschäftsführerin. „Wir geben wenig vor, aber durch die Interaktion finden wir dann heraus, was am besten ist – und weil das Projekt jeweils auf einen so langen Zeitraum angelegt ist, kann auch gemeinsam etwas aufgebaut werden.“ Zugleich, auch das sagt Nadja Keucher, hat das Projekt eine Strahlwirkung nach außen. Die Arbeit der NeckarWerkstatt wird in der Region sichtbarer und erhält mehr Aufmerksamkeit. Für die soziale Einrichtung ist das enorm wichtig.
Der Region etwas zurückgeben
Der Einsatz von Konstanzia Axt in der NeckarWerkstatt ist Teil des Sozialen Projekts, dass die Volksbank Rottweil seit 2004 organisiert. Alle Auszubildenden der Bank werden für zwei bis drei Stunden in der Woche von der Arbeit freigestellt und engagieren sich in sozialen Einrichtungen – in Seniorenheimen, Schulen, Kitas oder eben der NeckarWerkstatt.
„Wir wollen so der Region etwas zurückgeben – und gleichzeitig fördern wir die persönliche Entwicklung unserer Azubis“, beschreibt Denise Bayer den Nutzen des Projekts, das unter dem Motto „Füreinander da sein – voneinander lernen“ steht. In den 2,5 Jahren Ausbildungszeit kommen so rund 150 bis 200 Stunden pro Azubi zusammen, dazu entstehen Kosten für die Organisation, erklärt die Ausbilderin der Volksbank, die parallel für rund zwölf Nachwuchskräfte zuständig ist.
Empathie und Teamgeist
Das Soziale Projekt ist von Anfang an ein fest integrierter Bestandteil der Ausbildung. „Im Bewerbungsgespräch erwähne ich das direkt. Bisher waren die Rückmeldungen der Azubis immer positiv“, sagt Denise Bayer. Auch in der Langzeitbetrachtung ist das Projekt sehr erfolgreich: „Unsere Azubis, das merken wir immer wieder, bekommen einen anderen Blick auf Menschen, auf das Leben. Sie entwickeln soziale Kompetenzen, wie zum Beispiel Empathie und Teamgeist.“
Die Azubis dürfen sich den Ort für ihr Engagement zudem selbst aussuchen. Konstanzia Axt hat sich bewusst für die NeckarWerkstatt entschieden. Für ihre Spielgruppen, deren Mitglieder regelmäßig wechseln, hat sie sich sogar einen eigenen kleinen Workshop ausgedacht, bei dem sie zum Beispiel spielerisch Themen wie Geldscheine, Konto und Geldautomat erklärt. Heute steht allerdings noch eine letzte Runde Memory an. Nachdem das Spiel beendet und wieder eingepackt ist, verabschiedet sich die Gruppe. „Bis nächste Woche, Konstanzia!“ – „Natürlich, Leander, nächste Woche sehen wir uns wieder.“ Die Auszubildende lächelt. „Ich habe hier gelernt, dass jeder Mensch anders ist und dass das etwas Gutes ist“, sagt sie dann. „Ich darf fördern und gleichzeitig so viel selbst lernen. Das macht mich richtig glücklich.“