Zurück zu den Wurzeln

Um brach liegende Waldflächen der Region zu fördern, initiierte die Volksbank im Münsterland eG die Gründung einer Waldgenossenschaft. Die Mitglieder bringen dort Waldeigentum ein und schließen sich zusammen, um gemeinsam als Genossenschaft Waldstücke klimaresistent aufzuforsten und sie auch zur Wald- und Umweltbildung zu nutzen. Das ist wirksam und sinnvoll. Zugleich gibt es Kraft und öffnet Raum für neue Ideen, die wachsen und gedeihen.

Zurück zu den Wurzeln

Der feine Sprühregen hört kaum einmal für fünf Minuten auf, aber Esther Reckermann, Dorothee Valk und Johannes Jesch macht das nichts aus. Die drei laufen durch ein Waldstück in der Nähe von Hörstel, einer Kleinstadt, die an den Ausläufern des Teutoburger Walds liegt. Die Vögel zwitschern, es riecht nach Grün, nach Bäumen und Sträuchern. Die Gruppe genießt die Natur in dem Waldstück, das schon lange nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt wurde. Das ist am wilden Wuchs der Farne zu sehen, am Ilex und dem vielen Totholz, das auf den Lichtungen liegt, aber auch am dichten Stand der Bäume. Wäre der Wald klassisch genutzt und gepflegt worden, hätte die Forst- und Holzindustrie sie schon zu Möbeln, Balken, Papier oder Spanplatten nachhaltig verarbeitet.

Zufällig getroffen haben sich die drei nicht. Johannes Jesch ist Forstexperte beim Landesbetrieb Wald & Holz NRW. Heute geht es um die Bürgerwald Münsterland eG, die die Volksbank Münsterland mitgegründet hat. Esther Reckermann ist im Hauptberuf Geschäftsmodellentwicklerin Nachhaltigkeit bei der Bank und ehrenamtliche Vorständin der Bürgerwald Münsterland eG, Dorothee Valk ist Gründungsmitglied – und dementsprechend gibt es viel zu besprechen.

Ein Kraftort

„Der Wald ist für mich ein Ort, den ich wirklich liebe“, sagt Dorothee Valk, während sie sich die Kapuze ihrer Jacke zurechtrückt. Die pensionierte Leiterin einer Ehe-, Lebens- und Familienberatungsstelle hält kurz inne, lauscht dem Klopfen eines Spechts und lächelt. „Hier im Münsterland ist das unser Kraftort, so wie das Meer für die Küstenregionen. Wir müssen gar nicht in den Urlaub fahren, sondern können einfach in die Wälder gehen.“

Diese Begeisterung für den Wald, der ihr, wie sie sagt, die Gelegenheit bietet, sich mit der Natur zu verbinden, war einer der Gründe, sich an der Genossenschaft zu beteiligen. „Ich suchte damals nach einer Geldanlage, die nicht nur Erträge, sondern Sinn stiftet. Als ich von der Idee hörte, gemeinsam Wald zu kaufen, fand ich das natürlich sehr interessant“, erzählt sie. „Ich kann mich damit vor Ort einbringen und eben auch den Wald unterstützen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lokal, demokratisch und transparent

Für eine Genossenschaft, auch das ist für sie wichtig, gilt das umso mehr: „Die Strukturen sind lokal, demokratisch und transparent, das ergibt viel Sinn für mich.“ Ihre Erwartungen an die Genossenschaft sind klar. „Es soll nicht in erster Linie um Rendite gehen, sondern darum, den Wald zu pflegen, zu schützen und den Bürgern auch nahezubringen, dass der Wald wichtig und kostbar für uns ist“, erklärt Dorothee Valk.

Für Johannes Jesch ist das genau der richtige Ansatz. Der Forstexperte deutet gerade auf einen Farnwedel, der hier an vielen Stellen wächst. „Das ist Wurm- und Adlerfarn, ganz typisch für die Böden hier“, erklärt er und wischt ein paar Regentropfen von den Blättern. Er kennt das zwei Hektar große Areal mittlerweile gut. Als Fachmann aus dem „Team Gemeinschaftswaldgesetz“ beim Landesbetrieb Wald & Holz NRW begleitet er die junge Genossenschaft seit ihren Anfängen.

Waldeigentum einbringen

Neben vielen anderen Aufgaben ist genau das sein Auftrag: Er soll, legitimiert durch den schwarz-grünen Koalitionsvertrag in NRW – dem sogenannten Zukunftsvertrag –, dafür sorgen, dass vor allem kleine Privatwaldbesitzer überlegen, ihr Waldeigentum in gemeinschaftlichen Besitz und Solidargemeinschaften einzubringen. Aber auch Bürgerinnen wie Dorothee Valk sollen die Möglichkeit haben, durch finanzielle Teilhabe Waldbesitzer mit ideellen Anteilen zu werden. Das Projekt der Bank passt sehr gut dazu: „Wir haben diesen Auftrag sehr gerne angenommen, weil die Volksbank im Münsterland das deckungsgleich mit unserem politischen Auftrag umsetzt“, sagt Johannes Jesch.

Gemeinschaft, die stark macht

Gemeinschaftlicher Waldbesitz hat viele Vorteile, erklärt der Experte: „Ein einzelner Waldbesitzer muss ganz anders als eine Genossenschaft agieren, in der Menschen einen Anteil – wie eine Aktie – an einem Wald kaufen. Durch die Kapitalkraft der Gemeinschaft entsteht Handlungsspielraum. Sie muss zum Beispiel keine maximale Rendite erzielen, sondern die Waldgenossen können sich für den Wald in vielerlei Hinsicht engagieren.“ Die Waldgenossenschaften nach Gemeinschaftswaldgesetz NRW in Südwestfalen – immerhin 4,6 Prozent der Waldfläche von Nordrhein-Westfalen – würden vorbildlich beweisen, sagt Johannes Jesch, dass Gemeinschaft stark macht.

 

 

 

 

 

 

„Wer breit streut, rutscht nicht aus“

So ist eine Waldgenossenschaft in der Lage, über ihre Satzung Ziele zu vereinbaren, die helfen, den Wald nachhaltiger zu gestalten. Das ist auch deswegen wichtig, weil die letzte Waldzustandserhebung in Nordrhein-Westfalen ergeben hat, dass es in dem Bundesland knapp 130.000 Hektar sogenannte Kalamitätsflächen gibt – also geschädigte Wälder, in denen zum Beispiel der Borkenkäfer in den Jahren 2019 bis 2022 große Fichten-, Kiefer- oder Lärchen-Bestände infolge der Trockenheit und Hitze hat absterben lassen. „Eine Genossenschaft kann zum Beispiel dafür sorgen, dass der Wald durch Anpflanzungen unterschiedlicher, geeigneter und zukunftsfähiger Baumarten vielseitiger und damit auch resilienter für die klimatischen Herausforderungen der Zukunft wird“, erklärt Johannes Jesch. „Wer breit streut, rutscht nicht aus“, zitiert er ein altes Forst-Mantra. „Mehr Arten bedeuten mehr Betriebssicherheit – ökologisch wie ökonomisch.“

Verantwortung vor der eigenen Haustür

Esther Reckermann hört zu und nickt immer wieder. Für die Volksbank im Münsterland engagiert sie sich von Anfang an für die Genossenschaft. Es ist ihr Job, aber eben auch eine Herzensangelegenheit. „Als Bank wollten wir unseren Mitgliedern eine konkrete Möglichkeit geben, Verantwortung vor der eigenen Haustür zu übernehmen“, sagt sie und zeigt einmal im Kreis in den Wald. „Dafür haben wir mehrere Workshops veranstaltet und sind auf die Idee gekommen, eine Bürgerwald-Genossenschaft zu gründen.“ Die Volksbank hat dabei die Gründung über zwei Jahre begleitet. Die nun eigenständige Genossenschaft arbeitet in allen Ämtern ehrenamtlich. Dabei ist die Genossenschaftsversammlung das beschließende Organ, das den Vorstand mit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen beauftragt.“

Der Zweck der Initiative ist klar festgeschrieben: „Als Bürgerwald Münsterland eG wollen wir Waldstücke und Wälder in der Region kaufen, die oft nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt werden“, sagt Esther Reckermann. „Diese wollen wir klimaresistent aufforsten und parallel dazu auch zur Wald-und Umweltbildung nutzen.“ Vorstellbar ist zum Beispiel, mit Schulen oder Kindergärten zusammenzuarbeiten oder Pflanzaktionen anzubieten, an denen sich die jeweilige Region beteiligen kann.

Gesunde Schätze

Engagieren möchte sich neben ihrer Beteiligung an der Genossenschaft auch Dorothee Valk. „Ich kann mir gut vorstellen, hier das sogenannte Waldbaden anzubieten: ein entschleunigtes Spazieren, bei dem der Wald mit allen Sinnen erfahren wird.“ Denn so, das macht Dorothee Valk klar, profitiert nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch: „Der Wald hat so viel Schätze zu bieten, das ist gesund für alle und macht auch einfach Spaß.“