Die Emsländische Volksbank eG bringt Schülerinnen und Schüler eine ganze Schulwoche lang in einem Zirkus zusammen. Dort lernen sie gemeinsam zu gestalten, eigene Ängste zu lösen, Mut zu schöpfen und – nicht zuletzt – ihr Publikum zu begeistern. Ein willkommener Moment um inmitten der Corona-Zeit mal auszubrechen und nicht nur die Seele baumeln zu lassen.
Das Zirkuszelt als Klassenzimmer
„Meine Damen und Herren, liebe Kinder, heute präsentiere ich euch eine Kunstschützendarbietung frei nach Wilhelm Tell“, ruft Greta, sehr laut schon, aber noch viel zu schüchtern. Das meint zumindest Edwina Sperlich, die ihr direkt gegenübersteht und sie zu mehr Lautstärke und einer anderen Betonung herausfordert. „Noch mal den Anfang, ein bisschen mehr Luft, ein bisschen mehr Pause“, ruft die Clowns-Trainerin des Zirkus Gerhard Sperlich, der hier, in der Marienschule in Twist eine Woche Station macht. Greta baut sich vor ihr auf, atmet tief ein und lässt die ganze Kraft raus aus ihrem Körper. Sie breitet die Arme aus, dehnt die Silben, ruft lauter, viel lauter: „Meine Daaaaaamen und Heeeerren!“ Pause. „Lieeeeeebe Kinder!“, und dann ist Edwina Sperlich zufrieden.
Die sportliche junge Frau und ihre Familie samt Team trainieren hier an der Grundschule, in dem Klassenraum, in der Turnhalle und natürlich im Zirkuszelt, das auf einer Wiese neben der Schule steht, für vier Shows, die die Schülerinnen und Schüler für insgesamt 800 Gäste – ihre Eltern, Geschwister, Lehrerinnen und Lehrer – aufführen werden. Vor Corona durften sogar 1.500 Menschen die vier Vorführungen besuchen. Die Grundschulkinder lernen Akrobatik, Seiltanz, Fakir- und Feuerübungen, Zauberei, Jonglage und eben Clownereien, und alles muss perfekt werden. Dafür stehen die Sperlichs ein, die seit rund 30 Jahren die Zirkuswelt an Schulen in ganz Deutschland bringen.
Naturtalente
Die Kinder erwerben dabei viele Fähigkeiten, dürfen sich ausprobieren und entpuppen sich oft als Naturtalente. Edwina Sperlich vermittelt viele Dinge, aber ganz grundsätzlich geht es ihr erst einmal um das Gemeinschaftserlebnis. „Das Teamwork ist ganz wichtig – und das auch klassenübergreifend. Die Kinder kennen sich teilweise gar nicht, Viertklässler arbeiten mit Erstklässlern zusammen“, sagt die Trainerin. „Dabei müssen sie lernen, aufeinander zu achten, und verstehen, dass sie nicht nur einer von vielen sind, sondern ein wichtiges Glied in der Kette.“
Damit gehen die Kinder auch als Individuen gestärkt aus der Woche Zirkustraining heraus. Dazu kommt die intensive Arbeit, wie sie Edwina Sperlich mit Greta geleistet hat. „Ich erkläre den Kindern erst einmal, wie man sich als Clown in der Manege verhält. Dazu gehört, dass er sehr laut sprechen muss“, sagt sie. „Das Publikum sitzt ja relativ weit weg und die wollen euch natürlich alle verstehen. Und ich muss präsent sein in der Manege, keine Angst haben, auch wenn da 200 Leute sitzen.“ Dafür müssen die Kinder das Sprechen übertreiben, überbetonen, und viele klare Gesten mit großen Bewegungen vollziehen.
Möglich gemacht hat das Projekt in der Grundschule die Emsländische Volksbank eG, die einen Teil der Kosten über die Reinerträge der VR-Gewinnspargemeinschaft finanziert hat. Direkt am Rand der Manege hat sich Michael Schmidt hingesetzt, um zu schauen, wie der Zirkus trainiert. Eigentlich muss er gar nichts sagen, weil seine Augen bei der Probe der Artisten leuchten und er im Rhythmus der Zirkusmusik mitklatscht. „Als Erstes ist mir die Begeisterung der Kinder aufgefallen, wie viel Spaß und Freude sie haben, wenn sie selbst ihre Vorführungen machen, aber auch ihre Klassenkameradinnen und Klassenkameraden anfeuern“, sagt der Bankmitarbeiter, der für das Privatkundengeschäft im Marktbereich Mitte verantwortlich ist.
Über 60 geförderte Projekte
Das Projekt ist eines von über 60, das die Emsländische Volksbank eG über die Reinerträge der VR-Gewinnspargemeinschaft aus dem Jahr 2020 gefördert hat, um der Region etwas zurückgeben, sagt Michael Schmidt. Spannend findet er immer wieder, wie viele Initiativen es in Meppen und Umgebung gibt. „Es kommen ja ganz unterschiedliche Organisationen wie Vereine, Schulen oder Kindergärten auf uns zu. Dabei wird einem oft erst bewusst, was ehrenamtlich tätige Menschen alles brauchen.“ Das Zirkusprojekt hat es ihm besonders angetan, weil es für Kinder ist, die, wie er sagt, in der Corona-Zeit ganz besonders leiden. „Sie haben hier die Möglichkeit, wirklich kreativ zu sein, und das gemeinsam. Als Emsländische Volksbank eG freuen wir uns, über die Reinerträge ein solches Projekt realisieren und so viele weitere Projekte unterstützen zu können.“
„Ausbrechen aus dem Corona-Alltag“
Für Kathrin Kalkowski ist das ebenfalls einer der Hauptgründe für die Zirkuswoche. „Es bedeutet ein Ausbrechen aus dem Corona-Alltag, den die Kinder nun zwei Jahre lang hatten“, sagt die Lehrerin an der Marienschule, die das Projekt wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen eng begleitet. „Die Kinder haben sich zeitweise auch ganz lange nicht gesehen und können nun zusammen etwas auf die Beine stellen. Das gilt auch für uns Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern, die uns helfen, und alle Sponsoren.“ Dass eine Woche Schulunterricht ausfällt, ist für sie überhaupt nicht problematisch, im Gegenteil: „Der Zirkus ist keine verschwendete, sondern eine wertvolle Zeit, ein Zugewinn. Die Kinder haben zwar in dieser Woche keine Mathematik, kein Deutsch und auch sonst keine Fächer im üblichen Sinne, dafür aber Angebote, die für sie persönlich ganz besonders sind“, erzählt Kathrin Kalkowski. „Das Training stärkt das Sozialverhalten und das Selbstwertgefühl. Sie stehen auf der Bühne, müssen Aufregung aushalten, dürfen diese aber auch erleben – und sie können nachher durch den Applaus erfahren, dass sie etwas ganz Wertvolles auf die Beine gestellt haben.“
In der Turnhalle ein paar Meter weiter ist genau zu sehen, was damit gemeint ist. Edwina Sperlichs Bruder Robert trainiert hier die Akrobaten, die eine menschliche Pyramide bauen. Dabei ist auch Linn, ein zierliches und auf den ersten Blick sehr ruhiges Mädchen. Sie steigt auf den Rücken einer Mitschülerin, hält sich genau an die Absprachen, strahlt, als sie oben steht, und erzählt hinterher, dass das Training sehr gut zu ihr passt. „Also ich laufe, springe und renne gerne, ich mag auch Turnen, deswegen macht mir das sehr viel Spaß hier“, sagt sie. Die Pyramide klappt, auch später in der Manege. „Ich bin wohl ein bisschen aufgeregt“, ergänzt Linn noch, „aber das ist nicht schlimm. Und ich bin ganz stolz, dass ich das geschafft habe.“
Vertrauen schafft Vertrauen
Edwina Sperlich hat solche Aussagen schon oft gehört, aber dennoch ist jede Gruppe, die sie betreut, etwas Neues für sie. Sie muss in kürzester Zeit Vertrauen zu den Kindern aufbauen. „Dass ich sie nicht kenne, ist dabei mein Vorteil. Ich weiß ja nicht, ob das Kind vielleicht normalerweise schüchtern ist und im Unterricht kaum spricht“, sagt die Trainerin. „Ich traue denen erst einmal alles zu. Und wenn sie merken, dass ich Vertrauen in sie habe, haben sie auch direkt Vertrauen in sich selbst.“ Dann dreht sie sich um, die Clowns-Gruppe ist ihr noch nicht konzentriert genug. Wieder und wieder übt sie mit ihnen das Stück, denn in der Manege bei der Aufführung muss trotz des Spaßes alles perfekt sitzen.