Mit dem Bau einer eigenen Agri-Photovoltaikanlage auf der bankeigenen Wiesenfläche setzt sich die Raiffeisenbank Steingaden eG sehr konsequent für eine nachhaltige Energielösung ein. Durch die besondere Form der Installation erhält die Bank zugleich das insgesamt rund 70 Hektar große Terrain als Weidefläche für Pensionstiere, Pferde, Rinder und produziert dabei rund zehn Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Landwirtschaft und Erneuerbare Energien harmonieren hier ganz wunderbar. Tradition und Fortschritt finden zusammen. Die Bank schafft so ein Win-Win-Win-Modell für Tiere, Region und Umwelt sowie ein wegweisendes, kluges und nicht zuletzt produktives Miteinander von Bank, Kommune, Agrarkunden und allem was dazu gehört.

Auf einer großen Weide nördlich von Steingaden im westlichen Oberbayern, gerade mal einen Kilometer entfernt vom Lech, der hier durch das Alpenvorland fließt, grasen 25 Rinder. Die zwei Jahre jungen Tiere, die später als Milchkühe gehalten werden, haben reichlich Platz. Sie fressen frisches Gras, aber auch andere Kräuter und Pflanzen, die der Milch das besondere Aroma geben. Fast alles ist hier, wie es sich für einen Biobauernhof gehört. Aber, etwas ist anders, besonders. Auf einem Stück der weitläufigen Weide, auf zehn Hektar, stehen Photovoltaik-Module. Nicht von der Art, wie man sie oft neben Autobahnen sieht: Die Anlage ist auf 2,10 Meter hoch aufgeständert – es ist ein so genanntes Agri-PV-Projekt, das Landwirtschaft und erneuerbare Energie am selben Ort möglich macht.
„Wie können wir Weideflächen besser nutzen?“
Den Anstoß dazu gaben Dominic Lauter und Thomas Hipp. Die beiden Vorstände der Raiffeisenbank Steingaden laufen über die Weide, die Rinder sind ihnen nicht fremd. Dominic Lauter ermahnt eines von ihnen, das ihn von der Seite anstupst, streichelt ein anderes über den Rücken. „Seit fast hundert Jahren gehören 70 Hektar Wiesen und 40 Hektar Wald unserer Bank – und seit Jahrzehnten weiden hier Pensionstiere von Landwirten aus der Region“, sagt der Vorstand, der seit knapp vier Jahren in der Bank arbeitet und zuvor bei einer anderen Bank als Vorstand und beim Genossenschaftsverband Bayern als Prüfer beschäftigt war. „Vor ein paar Jahren haben wir dann überlegt: Wie können wir unsere Weideflächen noch besser nutzen, ohne die Landwirtschaft zu verdrängen?“
Die Lösung war die Agri-PV-Anlage, die seit Juni 2025 am Netz ist. Als die Bank die Pläne vorstellte, zeigte sie dem Gemeinderat das Gelände – hinter einer Koppel, kaum im direkten Blickfeld der Straße – und erklärte, wie die Wertschöpfung vor Ort bleibt, wenn die Bank selbst baut und betreibt. „Das hat sehr gut funktioniert, obwohl wir für die Leitungen mit rund fünfzig Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern die nötigen Formalien abklären mussten“, erklärt Thomas Hipp, der seit seiner Ausbildung in der Bank arbeitet. Dieser kam dabei sicherlich auch zugute, dass sie in der Region viel Vertrauen genießt. Ein Grund dafür ist das Geschäftsmodell: Neben allem, was eine Bank heute leisten muss, macht die Raiffeisenbank Steingaden auch weiterhin ihre traditionellen Angebote. „Wir haben zum Beispiel in den vergangenen Jahren unsere beiden Lagerhäuser neu gebaut“, sagt Dominic Lauter. In diesen verkauft sie wie seit Jahrzehnten Produkte für Garten, Landwirtschaft, Heimwerker, Bauherren und Tierhalter. Rund 20 der insgesamt 110 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Zehn Millionen Kilowattstunden für 3.200 Haushalte
Zurück auf die Weide, wo die beiden Vorstände die PV-Anlage begutachten. Mit 9,2 Megawatt installierter Leistung und einer jährlichen Produktion von rund zehn Millionen Kilowattstunden versorgt diese nun etwa 3.200 Vierpersonenhaushalte in der Region. Die Anlage ist zudem besonders effizient. „Die Anlage gehört uns, den Strom vermarkten die Elektrizitätswerke Reutte“, ergänzt Thomas Hipp noch, „das ist für uns eine sehr komfortable Situation.“
Möglich wird die Kombination aus Landwirtschaft und Energieerzeugung, weil die Module so hoch aufgeständert sind, dass die Tiere darunter laufen und stehen können; die Fläche bleibt Weide, während sie Energie liefert. Der Raum unter den Modulen ist bis auf die Pfosten, die in den Boden gerammt wurden, unversiegelt. Auch für Stefan Lutz, der gerade auf die Weide kommt, um nach den Rindern zu sehen, ist das Konzept bestechend. „Die Fläche liegt direkt an unserem Hof, wir haben sehr kurze Wege“, sagt der Milchproduzent, der insgesamt 50 Kühe in seinem Betrieb hält. Für seine Rinder benötigt der gelernte Schreiner, der mit seiner Lebensgefährtin den Hof führt, mehr Weiden als er besitzt: damit die Tiere im Frühling, Sommer und Herbst ausreichend grasen, aber auch, um Futter für den Winter anbauen zu können. Seine Rinder fühlen sich wohl, sagt er, während eines an seinem Jackenärmel schnuppert. „Der Schatten ist bei starker Hitze im Sommer Gold wert – für die Kühe und fürs Gras. Und bei Starkregen stehen die Tiere im Trockenen.“
Landwirtschaftliche Flächen nutzbar halten
Gemeinsam mit ihm kümmert sich Ruth Schuhwerk um das Vieh. Die Bioland-Beraterin hat die Raiffeisenbank bei der Umstellung der Flächen auf ökologischen Landbau beraten, außerdem ist sie von März bis Oktober als Hirtin in einem kleinen Team für die Rinder zuständig. „Mir ist es wichtig, dass landwirtschaftliche Flächen in der Nutzung bleiben, damit wir hier regionale Lebensmittel produzieren können“, sagt sie und deutet einmal im Kreis. „Erneuerbare Energie ist ein bedeutender Baustein gegen den Klimawandel, aber wir müssen eben auch an die Landwirtschaft denken.“
Hier auf den Weiden der Raiffeisenbank gelingt der Spagat. Die große Fläche sorgt zudem für eine hohe Biodiversität. „Weil die Tiere so viel Platz haben, fressen sie nicht alles gleichzeitig ab. So können an verschiedenen Stellen immer wieder neue Pflanzen wachsen.“ Ruth Schuhwerk deutet auf einen Brennnesselbusch, der auf zwei, drei Quadratmeter aus dem Boden geschossen ist. „Im Sommer tummeln sich hier Dutzende Schmetterlingsarten.“
„Tradition und Fortschritt schließen einander nicht aus.“
Heute ist es eher leicht regnerisch, was aber niemandem etwas ausmacht. Dominic Lauter und Thomas Hipp sind guter Dinge, das Projekt zahlt sich aus, die Anlage wird sich nach knapp elf Jahren amortisieren. „Das war für alle Beteiligten Neuland“, sagt Lauter, „für uns, den Landwirt, die Behörden. Aber jetzt sieht man: Tradition und Fortschritt schließen einander nicht aus.“ Hinter ihnen laufen die Rinder langsam unter den Modulen her, zu einer Stelle, an der das Gras anscheinend noch saftiger ist. Eines bleibt noch einen Moment stehen, fast so, als überlege es noch, ob es etwas anmerken möchte. Dann geht es weiter, so selbstverständlich, als hätte die Weide immer schon Strom produziert.
